Digitalisierung des kulturellen Erbes von Minderheitengemeinschaften für Gleichberechtigung und verstärktes Engagement DIGICHer
„Digitalisierung des kulturellen Erbes von Minderheitengemeinschaften für Gleichberechtigung und verstärktes Engagement“ (DIGICHer) zielt darauf ab, die wichtigsten rechtlichen, politischen, sozioökonomischen und technologischen Faktoren, welche die Digitalisierung des kulturellen Erbes von Minderheiten vorantreiben, zu betrachten. Dies hilft ein gutes Verständnis der Zusammenhänge zu gewinnen, und somit einen neuen, validierten und skalierbaren Ansatz zu entwickeln, der mittels nutzerzentrierter Methoden gerechte, vielfältige und inklusive Praktiken fördert. Aufbauend auf einem solchen Ansatz bietet das Projekt forschungs- und wissensbasierte Empfehlungen für politische Entscheidungsträger und Institutionen zur Berücksichtigung von Gleichberechtigung, Vielfalt und Inklusion von Minderheitengruppen durch Beteiligung und Engagement in Digitalisierungsprozessen ihres Kulturerbes. Es liefert auch Methoden zur Unterstützung, die es Entscheidungsträgern ermöglichen, den Bereich des digitalen Erbes unter besonderer Berücksichtigung seiner Vielfalt langfristig zu beobachten.
Unsere Ambition wird unter Mitwirkung von drei repräsentativen Minderheitengruppen in Europa, den Samen, dem jüdischen Volk und dem ladinischen Volk, entwickelt. Darüber hinaus werden wir auch mit Vertretern anderer Minderheiten in der EU gemeinsame Gestaltungsaktivitäten durchführen. Mit dem konzeptionell neuartigen, validierten, nutzerzentrierten Ansatz und den damit verbundenen evidenzbasierten Empfehlungen möchte DIGICHer den europäischen Kulturerbe-Sektor dabei unterstützen, digitaler zu werden, die Vorteile des digitalen Kulturerbes zu nutzen und die Chancen voll auszuschöpfen. Ziel ist es, dass Praktiken für Produktion, Management, Austausch und (Wieder-) Verwendung des digitalen Kulturerbes von Minderheiten in einer Weise gefördert werden, die wert- und kontextorientiert, respektvoll und ethisch verantwortungsbewusst ist. Langfristig wird dies die Bewahrung, Aufrechterhaltung und Modernisierung des digitalen Kulturerbes in einer Weise ermöglichen, die ihren Inhalten angemessen ist, digitale Praktiken im Einklang mit den europäischen Werten fördert, das Risiko des Missbrauchs von Inhalten verringert und die Möglichkeiten der Weiterverwendung erhöht. Des Weiteren werden Gleichberechtigung, Vielfalt und Inklusion in der europäischen digitalen Kulturlandschaft gefördert, was zu einem verantwortungsvollen und demokratischeren Kulturerbe-Sektor beiträgt, dessen digitale Aktivitäten die Vielfalt der europäischen Weltanschauungen widerspiegeln.
Ambitionen von DIGICHer
Nr. 1: Verbesserung des Verständnisses von Potenzialen, Chancen, Hindernissen und Risiken der Digitalisierung des Kulturerbes.
Forschungsfrage 1: Was sind die wichtigsten Defizite, Abhängigkeiten und Hindernisse bei der Digitalisierung von Kulturerbe? Welche Chancen bieten die derzeitigen rechtlichen, politischen, sozioökonomischen und technologischen Strukturen in der EU, um Werte, Ethik und Ansichten von Minderheiten bei der Digitalisierung und Nutzung ihres Kulturerbes zu unterstützen?
Nr. 3: Forschungs- und wissensbasierte Empfehlungen bzw. Methoden zur besseren Bewältigung der Sammlungsdigitalisierung im europäischen Kulturerbe-Sektor, einschließlich der Festlegung von Prioritäten, der Sicherstellung des entsprechenden Kontexts für die erstellten digitalen Objekte und der Gewährleistung ihrer langfristigen Erhaltung.
Forschungsfrage 3: Welche Strategien und Verfahren fördern am besten gemeinsame Aktionen und die Beteiligung aller Interessengruppen (einschließlich Minderheiten, Kultur-Institutionen und Endnutzer) an der Digitalisierung und Nutzung von Kulturerbe, wodurch die angemessene Darstellung des digitalen Kulturerbes von Minderheiten in Bezug auf Medium, Inhalt und Kontext gefördert wird?
Nr. 2: Validierter Ansatz zur Unterstützung des Kulturerbe-Sektor, um seine digitalen Ressourcen bestmöglich zu nutzen, die Vorteile des digitalen Wandels voll auszuschöpfen und Schwierigkeiten zu vermeiden.
Forschungsfrage 2: Wie können wir nutzerzentrierte Methoden anwenden, um einen inklusiven und dauerhaften Rahmen für ganzheitliches und dynamisches Publikumsengagement und Partizipation im Kontext von digitalem Kulturerbe von Minderheiten zu schaffen?
Nr. 4: Wesentliche Beiträge zur Verbesserung der digitalen Kompetenz der europäischen Einrichtungen des Kulturerbes, um die Chancen des digitalen Kulturerbes voll auszuschöpfen
Forschungsfrage 4: Welche Kontrollstrukturen, Entscheidungsprozesse und Organisationspraktiken kann der Kulturerbe-Sektor für die Produktion, das Management und die Verbreitung des digitalisierten Kulturerbes anwenden, um die Chancen des digitalen Kulturerbes voll auszuschöpfen und gleichzeitig Gleichberechtigung, Vielfalt und Inklusion zu fördern?
Methodischer Ansatz von DIGICHER
Der methodische Ansatz von DIGICHer basiert auf User Centricity und Design Thinking. Wir glauben fest an den Wert der Beiträge, Ideen und Erfahrungen aller. Der bürgerwissenschaftliche Ansatz eröffnet der Gesellschaft wissenschaftliche Erkenntnisse, sorgt für einen Kommunikationskreislauf anstelle einer einseitigen hierarchischen Kommunikation und stärkt das Zugehörigkeitsgefühl zur Gemeinschaft.
Gemeinden in DIGICHer
Samische Gemeinschaft
„Digitalisierung des kulturellen Erbes von Minderheitengemeinschaften für Gleichberechtigung und verstärktes Engagement“ (DIGICHer) zielt darauf ab, gerechte, vielfältige und inklusive Praktiken zu fördern. Die Kulturgemeinschaften sind von Anfang bis Ende aktiv am Projekt beteiligt. Wir sehen den Beitrag der kulturellen und sprachlichen Gemeinschaften als wesentlichen Erfolgsfaktor, um die Beständigkeit der Projektergebnisse in ganz Europa langfristig sicherzustellen. Das Projekt und seine Ergebnisse werden zusammen mit drei repräsentativen Minderheitengruppen in Europa gestaltet und erprobt: den Samen, dem jüdischen Volk und dem ladinischen Volk. Des Weiteren wird erkundet, wie eine Erweiterung auf andere Minderheitengruppen in anderen Umgebungen aussehen kann.
Die samische Heimat, genannt Sápmi, liegt in den nördlichen Teilen Norwegens, Schwedens und Finnlands sowie auf der Kola-Halbinsel in Russland. Die Samen haben dieses Gebiet bewohnt, bevor die heutigen Staatsgrenzen gebildet wurden. Derzeit gibt es etwa 75 000 bis 100 000 Samen. Insgesamt gibt es neun Samische Sprachen, wobei Nordsamisch die am weitesten verbreitete Sprache ist. Weitere samische Sprachen sind Südsamisch, Umesamisch, Pitesamisch, Lulesamisch, Skoltsamisch, Inarisamisch, Kildinsamisch und Tersamisch. Die traditionellen Lebensgrundlagen der Samen umfassen Fischerei, Rentierzucht, Jagd und Sami-Handwerk, und ihre modernen Formen bleiben eine wichtige kulturelle und wirtschaftliche Aktivität für viele Samen heute. Im Allgemeinen ist Kultur durch eine starke Verbindung mit der Natur gekennzeichnet.
Die Samen sind das einzige indigene Volk, das in der Europäischen Union anerkannt sind.
Das Sami-Archiv in Finnland wurde 2012 im Sami-Kulturzentrum Sajos in Inari eröffnet. Durch die Bewahrung des archivarischen Erbes ist das Sami-Archiv Teil des kollektiven Gedächtnisses des samischen Volkes. Es unterstützt und fördert die samische Forschung, erhöht das historische Wissen über das samische Volk und stärkt die samische Kultur.
Das Sami-Archiv ist Teil des finnischen Nationalarchivs. Neben dem kulturellen Erbe der Samen beherbergt das finnische Nationalarchiv viele weitere Archive ethnischer Minderheiten wie die der Karelier, Ingrier, Juden und Roma. Im DIGICHer-Projekt konzentriert sich das finnische Nationalarchiv auf das archivarische Kulturerbe der Samen und Karelien.
Hirschweide, Finnmark, Norwegen, Sammlung des Samisk Arkiv (Sámi-Archiv) in Norwegen, Sámi arkiiva/Samisk arkiv - Arkivverket
Nuoran-Pekka l. Pekka Saijets beim Einsalzen von Forellen - 1913 - Finnish Heritage Agency, Finnland - CC BY.
Jüdische Gemeinde
Juden leben seit mehr als zweitausend Jahren in Europa und bewegen sich aufgrund von Faktoren wie Kriegen, Verfolgung und der Suche nach einem besseren Leben kontinuierlich über den Kontinent. Die Geschichte des europäischen Judentums ist geprägt von Perioden blühenden kommunalen, intellektuellen und spirituellen Lebens, wie dem goldenen Zeitalter des sephardischen Judentums im mittelalterlichen Spanien und der Türkei sowie schwarzen Kapiteln gewalttätiger Pogrome, Blutvergießens und dem Holocaust, der die jüdische Bevölkerung in Europa fast ausgelöscht hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann die Wiederbelebung des jüdischen Lebens in Europa. Heute gibt es rund 1,5 Millionen jüdische Bürger, die hauptsächlich in Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Russland und der Ukraine leben. Das reiche jüdische Erbe in Europa, sowohl materiell als auch immateriell, umfasst eine Vielzahl kultureller Formen und Genres. Verschiedene Bemühungen, die sowohl von jüdischen als auch von nichtjüdischen Organisationen initiiert und unterstützt werden, konzentrieren sich auf die Digitalisierung und Bewahrung dieses Erbes.
Jüdische Museen und andere Organisationen des Kulturerbes in Europa sind in der Regel in das soziale, organisatorische, kommunikative und regulatorische Gefüge ihrer jeweiligen Staaten, Regionen und Städte eingebunden. Folglich stehen sie vor den gleichen Merkmalen und Herausforderungen wie andere Initiativen zur Digitalisierung des Kulturerbes in Europa. Aber es gibt auch Besonderheiten bei jüdischen Kulturerbe-Organisationen. Sie unterhalten oft starke Beziehungen zu führenden Kulturerbeorganisationen in Israel, wie der Nationalbibliothek oder dem Zentralarchiv des jüdischen Volkes in Jerusalem, die sich mit Geschichte und Kultur des jüdischen Volkes befassen. Diese Kooperationen beinhalten in der Regel die Aufteilung von Verantwortlichkeiten, wobei die Finanzierung und die operativen Verantwortlichkeiten bei den größeren und besser ausgestatteten israelischen Kollegen und die inhaltlichen Verantwortlichkeiten bei europäischen Kollegen liegen. Solche gemeinsamen Projekte fügen der Digitalisierungsarbeit jüdischer Museen eine wichtige internationale Dimension hinzu, stellen aber auch zusätzliche Probleme dar, die es zu bewältigen gilt - im Urheberrecht, im Projektmanagement und auch in der Politik. Darüber hinaus führt Israel derzeit ein ehrgeiziges nationales Programm zur digitalen Transformation durch. Aufgrund der vielen beruflichen, persönlichen und inhaltlichen Verbindungen zwischen dem israelischen Kulturerbe-Sektor und jüdischen Museen in Europa versuchen die Museen in der Regel, Arbeitsbeziehungen zu diesen Programmen aufrechtzuerhalten und sich auch daran zu beteiligen. Das Publikum jüdischer Museen in Europa ist vielfältig und reicht von lokalen und nationalen Besuchern bis hin zu europäischen, israelischen und internationalen Besuchern, die sich für jüdische Kultur interessieren. Dabei ist es durchaus eine Herausforderung den unterschiedlichen Zielgruppen gerecht zu werden.
Das Ladinische Kulturinstitut "majon di fascegn" - Museo Ladin de Fascia zielt darauf ab, die ladinische Sprache und das Kulturerbe dieser ethnischen Gemeinschaft zu erhalten, zu würdigen und zu pflegen. Das Kulturinstitut ist in drei Hauptforschungsbereichen tätig: sprachliche Infrastrukturen für die ladinische Sprache; ladinische Bibliothek und Archiv; und ethnographische Konservierung im Museum. In den letzten zwei Jahrzehnten hat diese Institution an der Digitalisierung ihres gesamten Erbes in den genannten Bereichen gearbeitet. Die Aktivitäten des ladinischen Kulturinstituts und des ladinischen Museums im Bereich der Digitalisierung werden in Synergie mit anderen Einrichtungen entwickelt, die sich für den Schutz des ladinischen einsetzen und auf die lokalen und touristischen Bedürfnisse achten. Das Fassatal, in dem sich das Institut und das Museum befinden, hat eine massive touristische Wirtschaft, mit der das kulturelle Erbe ständig konfrontiert ist. Als Hauptziel für die kommenden Jahre müssen das ladinische Kulturinstitut, das ladinische Museum und die anderen Einrichtungen, die in Synergie mit ihnen arbeiten, die verschiedenen digitalen Werkzeuge, die den Nutzern zur Verfügung gestellt werden, kartieren, besser organisieren und sie in einen kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Kontext stellen. Das äußert sich insbesondere in einer einzigartigen Mission, die dieses Kulturerbe mit Hilfe modernster Technologien bewahren und schützen will, und gleichzeitig dafür sorgt, dass die Werte und Visionen dieser Minderheit respektiert werden.
Die möglichen Aufgaben, um diese Ziele zu erreichen, beinhalten folgende Schritte:
1) Kartierung der verschiedenen bestehenden Instrumente und Maßnahmen;
2) Schaffung einer interaktiven, innovativen Plattform, die das digitale Kulturerbe sammelt, um seine Zugänglichkeit und Benutzerfreundlichkeit zu verbessern;
3) Digitalisierung weiterer Materialien;
4) Konzeption und Entwicklung neuer digitaler Instrumente zum Austausch und zur Bereitstellung der Sprachen und des Kulturerbes im wirtschaftlichen und sozialen Bereich;
5) sich mit den rechtlichen und ethischen Aspekten der Bereitstellung dieses Erbes zu befassen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Vertreter der Minderheit ständig einbezogen werden müssen, um keine Kluft zwischen Interessenträgern und Forschern zu schaffen.
Neue Synagoge, von Heinrich Gertrud, Deutschland, öffentlich zugänglich
Eine jüdische Hochzeit, vermutlich die von Mathilde, der Tochter des Künstlers, und G.D. Cohen Tervaert, 1903.
Ladinische Gemeinschaft
Traditionelle ladinische Trachten des Fassatals, Anton Sessa im Ladino-Kalender, 2010, Ladinisches Kulturinstitut
Pordoi pass 2.239 meters a.s.l.